Über die Projektregion

„An der Alster, an der Elbe, an der Bill‘...“ – so beginnt der Refrain eines alten Hamburger Volksliedes, und die Zeile reimt sich auf: „...da kann jeder ener moken, wat he will.“  Die Bille, das war bis in die Mitte des 20sten Jahrhunderts ein Lebensnerv der Stadt. Die Bille verband die Hansestadt mit ihrem Hinterland. Ihr verzweigtes Kanalsystem erschloss die Marschwiesen und bot der industriellen Entwicklung Platz und ein natürliches Transportsystem, mit direkter Verbindung zum Hafen. Mit den Arbeitsplätzen entstanden auch die Wohngebiete: Hammerbrook, Rothenburgsort, Hamm - klassische Arbeiterviertel.

Heute ist die Bille gegenüber der stolzen Elbe und der edlen Alster etwas ins Hintertreffen geraten. Die dichten Arbeiterviertel wurden in Bombenkrieg und Wiederaufbau zerstört. In den 50er und 60er Jahren entstanden an ihren Ufern zunächst neue Industrie- und Verkehrsgebiete. Dann, vor allem auf der Geest, auch bald „Großwohngebiete“ und neue Siedlungen, die sich in die zum Teil noch ländliche Struktur hineinschoben. Was damals als Verwirklichung sozialdemokratischer Utopien vom modernen Wohnen gefeiert wurde, erwies sich in den folgenden Jahrzehnten als problematisch. Die Bausubstanz ließ zu wünschen übrig, die Infrastruktur reichte nicht aus, demografische Veränderungen und Zuwanderung lösten die ursprüngliche Homogenität der Bewohnerschaft auf. Die Wohngebiete des Hamburger Ostens erwarben den Status des „Sozialen Brennpunkts“ und wurden innerhalb der Stadt stigmatisiert.

Heute leben in den Billestadtteilen Billstedt, Hamm, Horn und Rothenburgsort über 147.000 Menschen – 8,7% der Hamburger Gesamtbevölkerung. Die Sozialstatistik weist die Stadtteile als „benachteiligt“ aus. Im Hamburger Vergleich liegen versteuertes Einkommen, Wohnfläche, Bildungsstand und medizinische Versorgung klar unter, die Anzahl der Arbeitslosen und Sozialhilfeempfänger über dem Durchschnitt.

Doch auch wenn – oder gerade weil – soziale Probleme in diesen Regionen nicht zu leugnen sind und sich ein Gefühl der politischen Vernachlässigung ausbreitet, ist es den Menschen hier wichtig, auf die Besonderheiten und guten Eigenschaften ihrer Stadtteile hinzuweisen: Auch in den sozialen Wohngebieten ist Zusammenhalt und Nachbarschaftlichkeit zu finden, gibt es ein gewachsenes unaufgeregtes Miteinander von Nationalitäten, Sprachen und Kulturen. Die Nähe zum Wasser, die großen Parks und ausgedehnte Kleingartenlandschaften bringen Lebensqualität, auch in den Wohngebieten ist viel Grün zu finden. Die Modernisierung der Wohnhäuser kommt voran, gute Verkehrsverbindungen rücken den Osten an die Innenstadt heran, lebendige Wochenmärkte und auch einige Einkaufszentren bieten Nahversorgung und Begegnung. Nicht zuletzt aber sind es die Menschen, die sich in ihren Nachbarschaften, in sozialen Einrichtungen, in Gemeinden, Geschichtswerkstätten und Stadtteilinitiativen (!) für die Quartiere des Hamburger Ostens einsetzen, die den besonderen Charakter der Bille-Stadtteile ausmachen.

 
aul